Mittwoch, 16. Dezember 2015

Wikinger-Lamellar nach Birka - Teil I Einführung und Anfänge

 

Lamellar mit Lamellen nach Birka-Funden


Teil I des Bauberichts

Beschreibung und Erklärung

 

Das Thema "Lamellar" ist ein riesiges... wo soll ich nun also anfangen?
Beginnen wir mit der Idee hinter dem Rüstungstyp "Lamellar":
Oft verwechselt mit dem vor allem aus LARP und Fantasy verbreiteten Schuppenpanzer ist der Lamellar ein Bindeglied zwischen Plattenrüstungen und der Brigantina.
Den Lamellenpanzer unterscheidet vom Schuppenpanzer vor allem die Tatsache, dass die einzelnen Lamellen durch die Verflechtung von Lederbändern selbsttragend wirkt, während ein Schuppenpanzer aus einer Unterrüstung besteht, auf die dann die Schuppen aufgenäht, bzw. aufgenietet werden.
Durch eine überlappende Struktur der einzelnen Lamellen (selbes Funktionsprinzip wie beim Schuppenpanzer, daher die häufige Verwechselung) entsteht eine erstaunliche Materialdicke, die noch ein gewisses Maß an Flexibilität gibt, wobei ein Lamellar an sich eine recht steife Konstruktion ergibt... man darf also nicht mit der Bewegungsfreiheit eines Kettenhemdes rechnen. 
Laut diversen Tests ist ein Lamellar durchaus in der Lage, direkten Pfeilbeschuss abzuwehren (Wobei verschiedene Pfeilspitzen, sowie Bogenstärken logischerweise direkten Einfluss auf Durchschlagswucht haben) wobei ich persönlich bezweifle, dass Armbrustbolzen aufgehalten werden können, da selbst Plattenrüstungen von ebendiesen durchdrungen werden können.
Bei einer Lamellendicke von 1,4mm ergibt sich eine Materialstärke von 2,8mm was durchaus ordentlich zu nennen und gegen Stiche und Klingen die perfekte Abwehr ist.
Nach tagelanger Recherche kam ich zum Entschluss, dass die Anordnung der Lamellen nach unten hin dachziegelförmig sein müsste wenn man von einem Infanteristen ausgeht. (Da der Großteil der wuchtigen Schläge von oben kommt und Stiche bzw Schläge von unten meist weniger Kraft haben und mit einem entsprechenden Schild gut abgewehrt werden können).
Bei berittenen Truppen wäre diese Anordnung genau umgekehrt, da man mit Speerstößen und Hieben von unten rechnen muss.

Verbreitet sind Lamellare vor allem bei Wiki-Darstellern, wobei die tatsächliche historische Verbreitung von Lamellaren umstritten ist.
Eine Rüstung dieser Machart war wohl extrem kostspielig und daher für Elitetruppen oder einen seeeeeeehr (wirklich sehr sehr) reichen Jarl erhältlich.
Kulturell gesehen stammt der Lamellar aus dem byzantinischen Raum und es ist vorstellbar, dass die Warägergarde mit solchen eindrucksvollen Rüstungen ausgestattet wurde.
Funde von Lamellen aus Birka sorgen immer noch für hitzige Diskussionen, da bisher nicht klar ist, ob diese Lamellen überhaupt erschwinglich waren, ob sie Teil einer kompletten Rüstung oder nur Ersatzteile waren, die ein Händler aus Byzanz mitbrachte da er ein einträgliches Geschäft witterte und schließlich auf den Lamellen hocken bleiben musste, da sich diese niemand leisten konnte.
Trotz alledem erfreuen sich Lamellare heutzutage großer Beliebtheit bei Darstellern des frühen Mittelalters, wohl auch deshalb, da sie viel Raum für individuelle Gestaltungen lassen... die Schutzwirkung bei Vollkontakt ist ein weiteres Argument für diesen Rüstungstypus.


Die Anfänge

 

 Nun hatte ich also die grandiose Idee, mir einen Lamellar aus Lamellen nach den Birka-Funden zu bauen... Beginnt nun also die Planungsphase.
Mein erster Lamellar war eine recht simple Konstruktion ohne eingefasste Ränder.
Mit flachem Lederband habe ich die einzelnen Lamellen verflochten und erhielt ein recht passgenaues Rüstungsteil mit seitlich angebrachten Schnallen, das anfangs sogar recht stabil und steif war.


Sicht nach Innen auf einen Teil der Verschnürung bzw. Flechtung... diese Flechtart ist inzwischen überholt, da sie mir als zu unpraktisch und materialfressend erschien. Man beachte die angesprochenen Bänder.




Der komplette Panzer ohne Schnallen von vorne gesehen. An den Schulterträgern sieht man bereits die Instabilität des Materials, das schließlich dazu geführt hat, dass sich die Schulterstücke ständig unangenehm verschoben haben



Die betonung liegt hier eindeutig auf "anfangs", denn nach häufigerem Tragen haben sich die Lederbänder ausgeleiert und die Konstruktion wurde langsam schlabbrig (insbesondere an den Schulterträgern).
Mein Problem war schlichtweg, dass ich kaum ordentliche Anleitungen oder Erfahrungsberichte über den Bau eines Lamellars finden konnte, daher war "Learning by doing" angesagt.
Was habe ich also aus meinem ersten Lamellar gelernt?
  • Niemals zu dünnes Lederband verwenden, ich verwendete ca. 1,5mm x 3mm Bänder, die eindeutig nicht stabil genug waren.
  • Vermeiden, die Schulterträger schlicht aus einem Streifen verflochtener Lamellen herzustellen, welcher dann an Front und Rücken genestelt wird.
  • Auf jeden Fall die Ränder der Rüstung mit dünnem Leder umnähen, um scharfe Kanten zu verdecken und etwas mehr Stabilität zu gewährleisten.

Nachdem ich die Fehler erkannt habe tat ich das einzig Richtige: Der erste Lamellar wurde komplett zerlegt und wieder ein wenig mehr Recherche betrieben.
Was mich von Anfang an störte war die saubere neue Optik der Lamellen und ein bisschen oberflächlicher Rost sah mir einfach nach zu wenig aus... daher entschloss ich mich, die Schuppen auf mehr oder weniger natürliche Art und weise zu schwärzen.
Klar, Rüstungen wurden gepflegt, aber ein Nordmann, der wochenlang in der Nähe der See ist und in seinem Boot die Meere durchkreuzt ist dauerhaft der salzigen Seeluft ausgesetzt, daher war mir eine gebrauchte Optik wichtig.
Großartig mit Chemikalien zu hantieren war mir persönlich zu heikel und auch zu unauthentisch (Kleiner Tipp nebenbei: Wer verzinkte Teile blank haben möchte, möge diese Teile in Essigessenz einlegen, diese entfernt nämlich die Zinkschicht) daher beschloss ich, die Lamellen in den Grill zu werfen und mit ordentlich Kohle zu überhäufen und durch Hitze zu schwärzen.
Das Ergebnis hat mich selbst überrascht - die Lamellen sind anthrazitfarben und haben kleinere aber merkliche Unterschiede in der Farbgebung und schöne hellere und dunklere Flecken, die ein tolles Muster ergeben... positiver Nebeneffekt: kein Rost mehr!

Da mir die Lederbänder der ersten Version zu instabil und dünn waren fiel meine Wahl auf 4mm Rindslederbänder. Übermütig wie ich war bestellte ich 30 Meter Lederband und dachte, das würde locker ausreichen... Pustekuchen wie sich herausstellen sollte.
Zusätzlich sollte die Rüstung an den Kanten mit dünnem Leder eingefasst werden um Kanten zu vermeiden und mehr Festigkeit zu geben... dafür sollte 2,5mm dickes Schuhoberleder dienen.

Nun hatte ich alle Materialien beisammen und eine Idee im Kopf...

Für mich stand fest, dass die Rüstung am Rücken geschlossen werden sollte, um einen besseren Schutz der Seiten zu gewährleisten... außerdem sollten diesmal erweiterte Schulterstücke angefertigt werden, die auch den Oberarm schützen... also noch mehr Arbeit fürs Hirn, da diese Schulterplatten ja auch ausreichend beweglich sein sollten.
Um sich mit dem Material vertraut zu machen fertigte ich aus Resten von dickem Rüstleder, einigen Lamellen und Lederband einen Prototyp für die Schulterplatten an um zu sehen, wie weit man Schutzwirkung mit Beweglichkeit verbinden kann.



Die erste Reihe Lamellen und ein Zwischenstück aus Leder, um die Optik etwas aufzulockern


 Die Schulterstücke sind in einzelne Teile aufgebaut, die sich logischerweise ineinander verschieben können, um so eine bessere Bewegungsfreiheit zu ermöglichen.
Das Endergebnis sah dann so aus:


Natürlich kam ich nicht drumherum, ein paar Knotenmuster ins Leder zu brennen und mit dunkler Lederfarbe nachzuziehen ;-) 


Die Beweglichkeit ist auf jeden Fall gegeben, kann aber durch einen anderen Aufbau verbessert werden... bei diesem Teil wurden keine Riemen, sondern ausschließlich Lederbänder verwendet, was beim nächsten Versuch geändert wird, da ich das Gefühl habe, das eine Riemen/Band Konstruktion mehr Möglichkeiten bietet.

Nun hatte ich also einen Prototypen des Schulterstückes... da wollte ich doch gleich mal die neue Flechtmethode am eigentlichen Brustpanzer ausprobieren.
Wenn man sich einmal eingearbeitet hat, ging der restliche Arbeitsablauf sehr leicht von der Hand. 
 Dabei kann man am Rand der Rüstung die Bohrungen frei lassen, sodass man später leicht die Ledereinfassung anbringen kann.


Detailansicht der Lederinfassung am oberen Rand des Panzers, sozusagen am Kragen


An dem Stück erkennt man die Verflechtungen auf der Innenseite... außerdem die großen Lederstücke, die an der Achsel sitzen und dort den überflüssigen ungeschützten Raum auskleiden


Das Ganze sieht nun mal schon recht ordentlich aus.
Mir fiel auf, dass der Achselbereich recht offen war (bedingt durch die Lamellenform) also musste eine Lösung her.
Diese bestand darin, kleine Vierecke aus Leder auszuschneiden und in die Ecke einzuflechten, an der später die Achseln sein sollen. Das bedeutet, dass auf jeder Seite der Rüstung zwei solcher Vierecke eingearbeitet werden müssen. Durch die Biegung des Brustpanzers entsteht aus dem ursprünglich gerade gebogenen Viereck eine schöne Rundung. 

Das nächste Mal erwähne ich einige Probleme, die mir beim Bau auffielen, sowie einige Verbesserungen der Verflechtung, die die Beweglichkeit des Brustpanzers verbessern 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen